Zusammen «simply more».

Alexander Nicolai, CEO von Lowa, war zu Besuch in Herisau – die Gelegenheit, sich mit ihm zu unterhalten. Über Lowa, das 100-Jahr-Jubiläum sowie die Liebe zur Natur. Und vieles mehr.

von
Michi Jurt
Leitung Verkauf & Marketing | Mitglied der Geschäftsleitung

Zur Vorstellung für unsere Kundschaft – wie gross ist Lowa überhaupt? 

Vom Geschäftlichen betrachtet kann man sich natürlich auf unseren Jahresumsatz stützen, den veröffentlichen wir sowieso. Im letzten Jahr betrug unser Umsatz 236 Millionen Euro. In Anbetracht unserer Schuster-Wurzeln ist natürlich auch die Anzahl produzierter respektive verkaufter Schuhe interessant; das waren 3,14 Millionen Paare im Jahr 2022. 
Personell betrachtet ist die Mitarbeitenden-Anzahl sicher spannend: Das sind mittlerweile rund 2300. Liegt aber auch daran, dass wir 2019 unseren langjährigen slowakischen Produzenten übernommen haben – das gab auf einen Schlag ein Mitarbeiterzuwachs von circa 1800 Personen. Am Hauptsitz in Jetzendorf, wo Lowa gegründet wurde, sind 300 Mitarbeitende beschäftigt. Der Rest verteilt sich auf unsere Niederlassungen Lowa Schweiz und Lowa USA sowie unser Entwicklungszentrum in Italien. 

Wie wird man CEO einer derart etablierten Outdoor-Marke wie Lowa; wie sieht dein Werdegang aus?

Phu, da könnte ich weit ausholen – aber ich fasse mich lieber kurz. Ich bin leidenschaftlicher Ausdauersportler und schon viele Jahre in der Natur unterwegs. Ich hatte das Glück meine Leidenschaft zum Beruf machen zu können, habe erst Sportwissenschaften und dann Sportökonomie studiert und bin schliesslich nach Stationen im Handel und einem Engagement bei einer anderen Schuhmarke als sehr Produkt-affiner Mensch bei Lowa gelandet. Erst als Leiter Entwicklung & Design und nun seit vier Jahren als Geschäftsführer. Meinen Produkt-Fokus habe ich beibehalten. Das passt, denn Lowa ist eine Produktmarke. Mit starkem Fokus auf hochwertige Schuhe, auf Qualität, Passform, Komfort und Innovation. 

Inwiefern prägt dein Background im Handel deine Anforderungen an Produkte?

Ich versuche noch heute, nah am Handel und den Kunden zu sein, mich intensiv mit dem Markt zu befassen. Das ist allerdings nicht nur meiner Zeit im Handel geschuldet, das liegt auch an folgendem Zitat von Sepp Lederer, einem ehemaligen Lowa-Geschäftsführer und Schwiegersohn des Gründers: «Hört den Athleten zu und den Endkonsumenten.» – damit lag er definitiv richtig, denn via den Handel beziehungsweise vom Endkonsumenten erhalten wir das wertvollste Feedback. 

Lowa setzt neu auch auf Trailrunning. Eine Herzensangelegenheit für dich als ehemaliger Triathlet und Ironman-Teilnehmer?

Ganz klar, ja. Trotzdem steckt dahinter mehr als ein Geschäftsführer, der sich selbst verwirklichen will: Der Einstieg in den Trailrunning-Bereich ist für Lowa ein strategisch wichtiger Baustein, der unser Outdoor-Angebot komplettiert. Mit unserer Alpin-Kollektion waren wir auf den höchsten Gipfeln, es ging querfeldein mit unserem Trekking-Sortiment und unsere Wanderschuhe haben schon so einige unvergessliche Naturmomente beschert. Jetzt, mit der Ausweitung auf Trailrunning, können wir selbstbewusst sagen: Vom Bergsteigen bis zum Laufen im Gelände haben wir für alles das passende Angebot.  
Ausserdem gibt uns ein Produkt wie der Trailrunning-Schuh die Möglichkeit, unser Image zu verjüngen, zu modernisieren und sportlicher zu gestalten. So möchten wir in Zukunft auch ein schnelleres, jüngeres Publikum ansprechen und mit den Lowa-Kernwerten – Passform, Komfort, Qualität – für uns gewinnen. Das Ziel ist, unsere Erfahrung aus 100 Jahren Outdoor-Schuhen nun auf den Trailrunning-Bereich zu übertragen. Trotzdem wird natürlich auch unsere treue, alteingesessene Kundschaft nicht vergessen geht, die Tradition wird weitergeführt – unsere Kunden werden weiterhin mit regelmässigen Produkt-Updates bedient. 

Du wirst als Schuhliebhaber und Sneaker-Fan porträtiert – inwiefern prägen deine Vorlieben die Lowa-Produkte?

Ja, das stimmt (lacht.) – ich sammle Schuhe und habe den einen oder anderen Sneaker zu Hause stehen, beschäftige mich also auch mit dem Lifestyle-Segment. Was aber entscheidend ist, dass das Design der Produkte zur Marke Lowa und den entsprechenden Endkonsument passt und - dafür ist die Design-Abteilung zuständig. Schlussendlich sind Lowa-Schuhe immer noch Funktionsschuhe; mit griffiger Aussensohle und anderen Outdoor-Features. Trotzdem ist natürlich unser Anspruch, unsere Funktionsschuhe in manchen Bereichen so stylisch und modern wie möglich zu gestalten – wozu wir entsprechend Einflüsse aus dem Lifestyle-Segment in unsere Designs integrieren. 

In welcher Outdoor-Landschaft fühlst du dich am wohlsten; hast du einen Lieblingsort?

Definitiv in den Bergen. Einen Lieblingsort… eher zwei Lieblingsregionen. Ich bin ein Familienmensch mit zwei Wohnorten: Hauptsächlich bin ich in München, aber jedes zweite Wochenende trifft man mich in Konstanz an. Da ich stets versuche, Berge in der Nähe meines Wohnorts zu finden, habe ich entsprechend auch zwei Favoriten. Bin ich in München, gehe ich am liebsten in die Region um Grainau, da haben’s mir die Zug- und die Alpspitze angetan. Von Konstanz aus zieht’s mich regelmässig zu euch in die Nähe – der Säntis und das Alpstein-Gebirge sind einfach genial. Gerade Letzteres wird als Region oftmals unterschätzt. Dabei hat der Alpstein so viel mehr zu bieten, als man denkt. Traumhaft schöne Landschaften. Tolle Täler. Und das Beste: Weiss man wo, kann man lange wandern, ohne einer Menschenseele zu begegnen – aber wo das genau ist, verrate ich jetzt natürlich nicht (grinst.).

Wenn du das Alp- oder Wetterstein-Gebirge unsicher machst – hast du da einen Lieblings-Lowa-Schuh? 

Uh, da gibt’s viele – das kommt immer aufs Gelände an. Gehe ich wirklich Bergsteigen, in schwierigem Gelände, ist unser leichtester Alpinschuh, der Cevedale. Handelt’s sich um normales Wandern ist klar der Lowa Renegade der Schuh meiner Wahl. Ein sensationelles Allrounder-Modell. Gerade in letzter Zeit bin ich aber sehr gerne mit Trailrunning-Schuhen unterwegs; da trage ich hauptsächlich den Lowa Fortux oder Amplux. 

Ihr feiert dieses Jahr 100 Jahre Lowa. Herzlichen Glückwunsch! Diese hundertjährige Erfahrung greift ihr in euer Kampagne auf, der Kern davon heisst ja «100 Jahre: Präzision, Respekt, Handwerk, Pioniergeist, Weitsicht, Grenzenlos.» Wenn du dich für zwei dieser Werte entscheiden müsstest – welche sind dir am wichtigsten? Weshalb?

Oh, das ist keine leichte Aufgabe. Die sind mir alle wichtig. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, wären das wohl Handwerk und Respekt. 
Handwerk, weil da auch die Präzision ein wenig enthalten ist. Handwerk heisst aber auch Schuhe auf hohem Niveau, das heisst auch, dass man weiss, wie man die Schuhe zu gestalten und zu fertigen hat und dass man alle Details des Produkts kennt. Dass man dadurch etwas schaffen kann, das die Konsumentinnen und Konsumenten schätzen. Und das ist ja schlussendlich, was wir wollen – wir möchten ein Produkt bieten, das Relevanz hat im Markt. Wir wünschen uns eigentlich «nur», dass unsere Kundinnen und Kunden nach einer Wanderung mit Lowa-Schuhen nach Hause kommen und happy sind, weil sie einen tollen Tag hatten.
Der zweite Wert, Respekt, ist uns bei Lowa sehr wichtig. Einerseits Respekt gegenüber Mitarbeitenden, es soll ein Umgang auf Augenhöhe sein. Nur so wächst man als Mannschaft zusammen und erreicht gemeinsam etwas. Respekt beziehen wir aber auch auf die Umwelt: Als Outdoor-Schuhmarke und Naturliebhaber sind wir auf sie angewiesen, deshalb bedeutet Respekt für uns auch ein nachhaltiger Umgang mit Ressourcen. 
Und wenn ich noch einen Joker ziehen darf und einen dritten Wert auswählen – dann gerne Pioniergeist. Denn den haben wir als Marke immer gelebt, mit bahnbrechenden Produkten. 100 Jahre Lowa gibt's nur, weil wir uns immer wieder neu erfunden und weiterentwickelt haben; Und das soll auch in Zukunft so bleiben.

100 Jahre – viele Menschen können nur davon träumen, so alt zu werden wie Lowa. Da geht einem doch bestimmt so einiges durch den Kopf.

Natürlich, das ist ein wichtiger Meilenstein für uns. Und ein guter Moment, die Vergangenheit Revue passieren zu lassen. Wir wurden 1923 gegründet, von Lorenz Wagner – daher auch Lowa. Er war einer von drei Brüdern und das Witzige ist, die haben alle ihre eigene Outdoor-Schuhmarke gegründet, Hanwag und Hochland heissen die zwei anderen. Natürlich waren wir nicht von Beginn her so erfolgreich, das Erfolgsmodell Lowa hat sich über die Zeit entwickelt. Trotz – oder vielleicht gerade aufgrund – der Krisen, die wir hatten. In den 50er/60er-Jahren wäre Lowa beinahe bankrott gegangen und auch in den 90ern gestaltete sich die Situation schwierig. Aber eigentlich ist Lowa in diesen 100 Jahren kontinuierlich gewachsen. Speziell die letzten 30 Jahre, seit Werner Riethmann und die Familie Zanatta mit der Tecnica-Gruppe am Start sind, waren für uns eine sehr erfolgreiche Zeit. Generell könnte man sagen, kontinuierliches Besserwerden ist für uns ebenso wichtig wie unsere Firmenwerte Passform, Funktionalität, Qualität. Das greift ja auch der Slogan «simply more» auf – wir wollen immer ein Stückchen besser werden und uns weiterentwickeln. 
Eine gewaltige Weiterentwicklung fand im Jahr 2019 statt: Als Produktmarke war Lowa schon immer erfolgreich, aber mit der Übernahme der Produktion holten wir uns die gesamte Produktions- und Wertschöpfungskette ins Haus. So können wir die Qualität noch besser kontrollieren als zuvor. Das ist zugleich aber auch eine enorme Verantwortung den Mitarbeitenden gegenüber, wenn man die gesamte Produktionskette bei sich hat. Das hat uns verändert. Und dieser Transformationsprozess wird auch weiter andauern; die Produktion wird künftig noch näher mit uns zusammenarbeiten, noch besser integriert werden. Wir sind nach wie vor damit beschäftigt, vieles zu optimieren – das wird wohl auch noch länger der Fall bleiben. Aber nur so ist auch nachhaltiges, verantwortungsvolles Wachstum möglich.

Während bei euch dieses Jahr Firmenwerte und hundertjährige Erfahrung im Zentrum eurer Kampagne stehen, ist’s bei uns die Natur als Produkttesterin. Exakt heisst’s da «Die Natur ist unsere Jury. Damit du bei jedem Wetter punktest.» Hat dich die Natur respektive das Wetter auch schon mal so richtig auf die Probe gestellt?

Ich glaube, wer schon so lange und so oft wie ich in der Natur unterwegs ist, hat sicherlich schon seine Grenzen aufgezeigt bekommen. Meine Grenzerfahrungen reichen von sengender Hitze bis zur eisigen Kälte – ob beim Wandern, beim Radfahren oder beim Laufen.
Vor vielen Jahren, noch vor der Nutzung der Wetterprognosen mit Smartphones, hatte ich in Neuseelands Bergen beispielsweise eine solche Grenzerfahrung – da bin ich bei gutem Wetter, bestückt mit Wanderschuhen und wenig Ausrüstung, losgegangen. Je höher ich aber aufstieg, desto ungastlicher wurden die Wetterbedingungen: Erst begrüsste mich Regen, weiter oben begann’s dann zu schneien und es war wahnsinnig kalt. Wohl oder übel musste ich mit eigentlich nicht gerade passender Ausrüstung durch den Schnee stapfen und sogar noch einen Pass überqueren. Am Ende bin ich zum Glück aber – zwar relativ unterkühlt – bei der Hütte angelangt. Deshalb sollte man bei der Routenwahl gut aufpassen und auch Wetterprognosen gut studieren. Das geht ja heute einiges leichter als damals, heute gibt es Wetterapps und GPS. Entsprechend bin ich jeweils mit Karten durch die Gegend gelatscht (lacht.). Heute ist es viel einfacher geworden, sich auf eine Wanderung vorzubereiten, Internet und Apps sei Dank – seit es Smartphones gibt, wurde ich so gut wie nie mehr vom Wetter überrascht. Doch auch das Gegenteil – sengende Hitze – erlebte ich schon aus erster Hand. Zum Beispiel bei meiner Teilnahme am Ironman auf Hawaii. 40 Grad hatten wir da während des Rennens… 

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